HGU-Standpunkte
Eine Serie zu sozialpolitischen Fragen und Aspekten der Aus- und Weiterbildung
Die bisherigen HGU-Standpunkte
- Bitte keine Schnellbleichen
- Nur gute Chefs finden gute Leute
- Stärken wir unsere Berufe
- So hält man die Kollegen in der Branche
- Die Branche braucht Betriebe mit Profil
- Gastgewerbe: Lernende bei der Stange halten
- Der Lohn muss zum Leben reichen
- Bildung lohnt sich –nicht nur monetär
- Stress ist ein Branchenkiller
- Her mit einem neuen Gesamtarbeitsvertrag
Jörg Ruppelt
Her mit einem neuen Gesamtarbeitsvertrag!
Seit 2019 geht punkto L-GAV nichts mehr. Dabei ist ein neuer Vertrag nötiger denn je, um Personal zu halten und Nachwuchs zu gewinnen.
Ob branchenintern oder zunehmend auch in der breiten Öffentlichkeit: Die Diskussionen um den Landes-Gesamtarbeitsvertrag im Gastgewerbe reissen nicht ab. Zum allgemeinen Verständnis: Der L-GAV regelt die Mindestanstellungsbedingungen, darunter den Beginn und die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, die Löhne, die Arbeits- und Ruhe-zeiten sowie den Lohnersatz -und die Sozialversicherung.
Der letzte, von allen Sozialpartnern unterschriebene L-GAV stammt aus dem Jahr 2017. Seitdem gab es keine Anpassung mehr. Die im Frühjahr 2019 begonnenen Verhandlungen über einen neuen L-GAV wurden von Gastrosuisse nach wenigen Monaten abgebrochen. An der Blockadehaltung des Verbandes der Wirte hat sich bis heute nichts geändert. Der Zankapfel: Gastrosuisse wirft den Gewerkschaften Unia und Syna vor, die im L-GAV vereinbarten Mindestlöhne durch höhere, gesetzlich festgesetzte Mindestlöhne aushebeln zu wollen. Dazu sagt Roger Lang, Leiter Rechtsdienst und Sozialpolitik bei der Hotel & Gastro Union: «Die kantonale Mindestlohnfrage mit den L-GAV-Verhandlungen zu verknüpfen,
ist Unsinn.» Die gesetzliche Mindestlohnfrage werde vom Volk entschieden. Die Verhandlungsblockade habe keinen Einfluss auf diese Abstimmungen und werde es auch in Zukunft nicht haben. «Die Hotel & Gastro Union wird sich nie für gesetzliche Mindestlöhne einsetzen, macht Roger Lang unmissverständlich klar. «Für uns ist der Königsweg die
Sozialpartnerschaft.»
Für die Union ist der L-GAV nicht mehr zeitgemäss
Ein Gesamtarbeitsvertrag zählt grundsätzlich nur für die Mitglieder der vertragsschliessenden Organisationen. Der Bundesrat kann auf Antrag aller beteiligten Sozialpartner die Ausweitung auf Nichtmitglieder beschliessen. Eine solche Ausweitung ist wichtig, da-
mit Betriebe gleich faire Wettbewerbsbedingungen haben. Als Folge der Allgemeinverbindlichkeitserklärung bezahlt jeder Mitarbeitende und jeder Betrieb die sogenannten Vollzugskostenbeiträge. Aus diesen Vollzugskostenbeiträgen werden die Aus- und Weiterbildungen in unserer Branche sowie der Vollzug, also die Kontrolle auf Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrages, finanziert.
Diese Allgemeinverbindlichkeit wird nun seit 2019 jährlich erneuert, löst aber nicht die anhaltenden Probleme der Branche. Und sie ersetzt schon gar nicht einen zeitgemässen L-GAV. An der Delegiertenversammlung von Gastrosuisse im Juni dieses Jahres machte Verbandspräsident Casimir Platzer einmal mehr deutlich, dass er für Neuverhandlungen nicht bereit sei. Der alte
L-GAV aus dem Jahr 2017 sei gut genug. Was Casimir Platzer ausser Acht lässt: Der L-GAV ist ein Arbeitsmarktinstrument mit dem Ziel, dass das Gastgewerbe unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt konkurrenzfähig bleibt. Ist es das?Die Antwort gibt die aktuelle Situation der Branche. Der anhaltende, gravierende Personalmangel beweist, dass die Mindestarbeitsbedingungen nicht mehr attraktiv genug sind, um Berufs-
leute in der Branche zu halten. Zudem wählen immer weniger Junge einen gastgewerblichen Beruf.
Die Hotel & Gastro Union steht zur Sozialpartnerschaft
Seit Jahren fordert die Hotel & Gastro Union den Sozialpartner Gastrosuisse auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Mit der aktuellen Unterschriftenkampagne «Gemeinsam gegen Personalmangel» kämpft die Union nicht nur gegen den Weggang von Berufsleuten aus der Branche, sie zeigt auch Wege aus der Krise auf. Kernpunkte ihrer Forderungen sind mehr Investitio-
nen in die Bildung und die Förderung des Berufsnachwuchses. Es braucht attraktivere Arbeitszeiteinteilungen, damit Mitarbeitende Beruf und Freizeit besser vereinbaren können. Nur eine frühzeitige Abgabe von Dienstplänen ermöglicht ein planbares
Privatleben. Und es braucht Lohnerhöhungen auf allen Stufen. Weder die Hotel & Gastro Union noch Gastrosuisse können die Probleme alleine lösen. Deshalb steht die Union zur Sozialpartnerschaft.
Jörg Ruppelt
Stress ist ein Branchenkiller
Auf Mitarbeitende im Gastgewerbe entfällt immer mehr Arbeit. Sie sind erschöpft und gehen weg. Was tun, um sie zu halten?
Es ist eine alarmierende Entwicklung: Zwischen 2016 und 2022 steigt die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in der Schweiz unter Stress und Erschöpfung leiden, von 38 auf 43 Prozent. Als Folge davon erkranken immer mehr Arbeitnehmende psychisch oder körperlich. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der Dachorganisation Travail Suisse, der auch die Hotel & Gastro Union angehört. «Die Arbeitsprozesse wurden in den vergangenen Jahren stetig beschleunigt, gleichzeitig verlangen Arbeitgebende in den Betrieben immer mehr Flexibilität von den Arbeitnehmenden», sagt Thomas Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail Suisse.
Besonders prekär ist die Situ-ation im Gastgewerbe. Der an-haltende akute Personalmangel belastet die Betriebe und die Angestellten. Fällt ein Mitarbeitender aus, muss die anfallende Arbeit durch andere aufgefangen werden. Im schlimmsten Fall werden ganze Dienstpläne geändert und Ruhetage gestrichen. Ein grosser Pool an Aushilfen, welcher Ausfälle kompensieren könnte, existiert nur noch in wenigen Betrieben. «Das Gastgewerbe hat es in der Vergangenheit verpasst, genügend attraktive Rahmenbedingungen anzubieten, um die Arbeitnehmenden in der Branche zu halten und genügend Nachwuchs zu rekrutieren», so die Analyse von Roger Lang, Leiter Rechtsdienst und Sozialpolitik bei der Hotel & Gastro Union.
Teildienste und die Tagesarbeit auf zehn Stunden minimieren
Wo muss der Hebel angesetzt werden, um die Bedingungen zu verbessern? Die Arbeitnehmer-organisation der Branche sieht vier Ansatzpunkte. Erstens: Teildienste minimieren. Die immer noch weit verbreiteten Zimmerstunden könnten beispielsweise in Küchen wegfallen, wenn in den Betrieben moderne Prozesse und Arbeitsweisen für Vorproduktionen eingeführt würden. Allgemein for-dert die Hotel & Gastro Union, dass der Zeitraum der Arbeit von zwölf auf zehn Stunden reduziert werden soll.
Den Monatsdienstplan zwei Wochen im Voraus bekommen
Zweiter Ansatzpunkt ist eine früh-zeitige Bekanntgabe von Dienstplänen, damit Mitarbeitende ihre Zeit mit der Familie oder für ihre Hobbys besser planen können. Die Hotel & Gastro Union fordert deshalb, dass die Dienstpläne zwei Wochen im Voraus bekanntge-geben werden müssen und dass kurzfristige Änderungen von den Arbeitnehmenden abgelehnt werden können.
Dritter Ansatzpunkt: Für die hohe Arbeitsbelastung braucht es genügend Ausgleich. «Wer einer hohen körperlichen und psychischen Belastung ausgesetzt ist, kaum wertgeschätzt wird und dann noch ein tiefes Einkommen hat, der ist besonders schnell erschöpft und desillusioniert», so Roger Lang. Die Hotel & Gastro Union fordert deshalb, die maximale wöchentliche Arbeitszeit auf 40 Stunden zu beschränken und die Löhne auf allen Stufen anzuheben. Gesetzesänderungen herbeizuführen braucht viel Zeit. Die Hotel & Gastro Union sieht den Königsweg in der Sozialpart-nerschaft. «Lösungsvorschläge können wir nur mit den Arbeitgeberverbänden erarbeiten und in einem neuen Landes-Gesamtarbeitsvertrag verankern», sagt Roger Lang. Seit Mai 2019 setzt der Arbeitgeberverband Gastrosuisse allerdings auf Blockade. Die Hotel & Gastro Union macht deshalb Druck. Die im Herbst 2022 lancierte Unterschriftensammlung «Gemeinsam gegen Personalmangel» läuft auf Hochtouren. Bereits mehr als 13 000 Personen haben die Kampagne unterschrieben. Damit machen sie deutlich, dass die Probleme der Branche endlich angepackt werden müssen. Wenn nicht, wächst die Zahl jener, die unter Erschöpfung leiden, weiter. Mit der Folge: Immer mehr Mit-arbeitende kehren dem Gastgewerbe den Rücken.
Jörg Ruppelt
Bildung lohnt sich –nicht nur monetär
Nicht nur mehr Lohn, auch ein grösseres Netzwerk und bessere Marktchancen bieten sich jenen, die sich beruflich weiterbilden.
Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD bringt es auf den Punkt: «Menschen mit einem höheren Bildungsabschluss haben bessere Berufsaussichten. Und: je höher der Berufsabschluss, desto besser der Verdienst.»
Machen wir die Milchbuchrechnung für das Gastgewerbe. Ein Ungelernter verdient mindestens 3582 Franken monatlich. Nimmt er die berufliche Bildungsleiter in Angriff, liegen für ihn bis zu 1000 Franken pro hochgekletterter Stufe im Monat drin. Hochgerechnet auf noch gut 35 vor ihm liegende Berufsjahre, könnte er rund 1,5 Millionen Franken mehr verdienen, als wenn er ein Leben lang auf der ungelernten Bildungsstufe verharren würde.
Es zählt aber nicht nur die monetäre Seite. «Schon als ausgebildeter Koch ist die Weiterbildung ein Muss», sagt Reto Walther, Geschäftsführer des Schweizer Kochverbands. «Nebst der praktischen Erfahrung in verschiedenen Betrieben, welche die Basis für eine erfolgreiche Karriere bildet, sind sämtliche Bildungslehrgänge für das weitere Berufsleben wertvoll. Die Durchlässigkeit von der Basisqualifikation über die berufliche Grundbildung bis hin zur höheren Berufsbildung ermöglicht es grundsätzlich jedem Profi, die Leiter hochzusteigen. Selbst nach dem Erreichen eines eidgenössischen Diploms gibt es zahlreiche Anschlussausbildungen, die ein Erweitern der persönlichen Kompetenzen ermöglichen.»
Kommt bald der zusätzliche Titel «Professional Bachelor»?
Was für die Köche gilt, gilt natürlich auch für die Berufsleute in der Restauration, der Hauswirtschaft, im Hotelmanagement und in der Administration sowie in der Bäcker- und Confiseur-Branche.
Allerdings: So gut die Aufstiegs- und höheren Lohnperspektiven auch sind, ein Bachelor- oder Master-Titel liegt hierzulande nur für Absolventen eines Hochschulstudiums drin. Ein parlamentarischer Vorstoss, die beiden Titel auch für Berufsleute einzuführen, scheiterte jüngst in der Frühjahrssession im Ständerat.
Nun liegt ein neuer Vorschlag auf dem Tisch. Wie der «Tagesanzeiger» berichtetet, befürwortet das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI die Einführung von «Professional Bachelor» und «Professional Master». Und zwar als Ergänzung zu bestehenden Titeln. So könnte dereinst eine Köchin oder Köchin mit Berufsprüfung zusätzlich den Titel «Professional Bachelor», eine Leiterin Hotellerie-Hauswirtschaft mit eidgenössischem Diplom die Zusatzbezeichnung «Professional Master» tragen. Mit diesen Titeln würden sich nicht nur die Chancen von Schweizer Berufsleuten auf dem internationalen Markt vergrössern. Sie könnten aber auch ein Signal an Schulabgänger senden, die vor dem Entscheid stehen, ein Studium oder eine berufliche Grundbildung in Angriff zu nehmen.
Investitionen in die heutigen und zukünftigen Bildungswege sind keine Selbstläufer. Mit der aktuellen Unterschriftensammlung «Gemeinsam gegen Personalmangel» weist die Hotel & Gastro Union darauf hin, dass die Branche unbedingt qualifizierte Arbeitnehmende und Arbeitgebende braucht. Deshalb fordert sie die unbefristete Fortsetzung der kostenlosen Aus- und Weiterbildung über 2023 hinaus. Sie will, dass die Anforderungen an die Berufsbildner zugunsten der Lernenden erhöht werden und fordert für Mitarbeitende mehr bezahlte arbeitsfreie Zeit für die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungskursen.
Wer diese Forderungen mitträgt, setzt seine Unterschrift auf die Webseite gegen-personalmangel.ch und sagt es seinen Arbeitskolleginnen und -kollegen im Betrieb weiter.
Luzern, 15. März 2023 –Jörg Ruppelt
Der Lohn muss zum Leben reichen
Derzeit verhandeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Mindestlöhne 2024. Wie ist die Position der Hotel & Gastro Union?
Seit 2019 weigert sich Gastro-suisse, Verhandlungen über einen neuen Landes-Gesamtarbeitsvertrag L-GAV aufzunehmen. Dennoch ist der Arbeitgeberverband gezwungen, sich Jahr für Jahr mit den Sozialpartnern an einen Tisch zu setzen. Dann nämlich, wenn es um die Festlegung der Mindestlöhne in der Gastronomie und Hotellerie geht.
Derzeit laufen die Verhandlungen in Zürich und Bern auf Hochtouren. Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, darunter die Hotel & Gastro Union, tauschen sich über die aktuelle Branchensituation aus und versuchen, gemeinsam eine Mindestlohn-Lösung zu finden, die für beide Seiten tragbar ist. Auch wenn aufgrund des derzeit vorherrschenden Fachkräftemangels viele Betriebe Löhne bezahlen, die auf allen Qualifikationsstufen über dem Minimum liegen, sind die Mindestlohnverhandlungen von enormer Bedeutung. Die Höhe eines Mindestlohns prägt das Image einer Branche: Ist sie attraktiv genug, um sich für eine Grundbildung oder einen beruflichen Wiedereinstieg in dieser zu entscheiden?
Diese Mindestlöhne reichen nirgendwohin
«Fakt ist aber auch, dass viele Betriebe noch immer nur den Mindestlohn zahlen oder diesen sogar unterschreiten», so Roger Lang, Leiter Rechtsdienst der Hotel & Gastro Union und Vertreter der Arbeitnehmerorganisation am Verhandlungstisch. Gemäss Kontrollstelle L-GAV liege die Zahl jener Betriebe jährlich zwischen fünf und zehn Prozent. Aber auch wenn ein Mindestlohn bezahlt wird, reicht er doch in der heutigen Zeit nirgendwohin. Mitarbeitende mit einer zweijährigen beruflichen Grundbildung und einem eidgenössischem Berufsattest erhalten monatlich 3927 Franken brutto. «Viel zu wenig, um damit anständig zu leben», betont Roger Lang. Einzelne Kantone haben bereits höhere gesetzliche Mindestlöhne eingeführt. «Die Mitarbeitenden in unserer Branche wollen ebenso bezahlt werden wie jene in anderen Branchen. Ausserdem: Mit tiefen Löhnen dreht man weiter an der Abwärtsspirale. Noch mehr Arbeitskräfte werden die Branche verlassen. Die Produktivität sinkt», ist sich Roger Lang sicher.
Für die Hotel & Gastro Union steht fest: Mittelfristig müssen die Mindestlöhne für Ungelernte über jenen der höchsten kantonalen liegen. Und: Mitarbeitende mit einer Grundbildung und einem Fähigkeitszeugnis sollten mindestens 5000 Franken in der Lohntüte haben.
Luzern, 20. Oktober 2022 - Jörg Ruppelt
Gastgewerbe: Lernende bei der Stange halten
Seit mehr als zehn Jahren sinkt die Zahl der Lernenden im Gastgewerbe. Gleichzeitig wächst in einigen Berufsfeldern die Zahl jener, die ihre Ausbildung vorzeitig beenden. Der Branche fehlt der Nachwuchs. Was tun? Die Hotel & Gastro Union fordert attraktivere Arbeitszeiten, mehr Wertschätzung und mehr Lohn auf allen Stufen.
Haben die Jungen noch Bock auf das Gastgewerbe? Eine Antwort liefert das Bundesamt für Statistik. 2010 entschlossen sich 3901 Schulabgänger für eine gastgewerbliche Lehre. 2021 waren es nur noch 2785. Ein Minus von rund 30 Prozent. Überdurchschnittlich hoch gegenüber anderen Branchen ist seit Jahren die Zahl der Lehrabbrüche in der Gastronomie und Hotellerie. Nach Arbeitsmarktdaten von Hotelleriesuisse hat in den letzten Jahren fast jeder dritte Lernende Restaurationsangestellte EBA die Ausbildung vorzeitig hingeschmissen. Bei den Küchenangestellten EBA lag die Quote bei rund 20 Prozent. Alle gastgewerblichen Berufe zusammengefasst haben fast 14 Prozent der Lernenden noch vor dem Qualifikationsverfahren unserer Branche den Rücken gekehrt.
Was sind die Gründe? Liegt es am allgemein schlechten Image der Branche? Die Hotel & Gastro Union fühlt seit Jahren den Puls der Jungen, in dem sie rund 1400 Lernende befragt. Die diesjährige Umfrage kommt zum Schluss, dass eine grosse Mehrheit der Befragten stolz auf ihr Handwerk und zufrieden mit der Qualifikation ihrer Berufsbildner ist. 43 Prozent der Lernenden sind jedoch entschlossen oder ziehen es in Erwägung, nach der Lehre in andere Branchen abzuwandern.
Überstunden und schlechte Führung sind ein Image-Killer
Jene, die gehen, geben vor allem drei Minuspunkte an, die gegen eine berufliche Zukunft im Gastgewerbe sprechen. Da sind zum einen die unattraktiven Arbeitszeiten und die vielen, infolge des Personalmangels geforderten Überstunden. Zum anderen sind es mangelnde Wertschätzung der Vorgesetzten und Gäste, die schlechte Führung und manchmal ein schlechtes Arbeitsklima in den Betrieben. Es gibt leider immer noch Berufsbildner, die ihre Lernenden wie billige Arbeitskräfte behandeln und ihrem Ausbildungsauftrag ungenügend nachkommen. Und dann die Sache mit dem Lohn. In anderen Branchen sehen abwanderungswillige Lernende bessere Verdienstmöglichkeiten.
An die Konsumenten: Dienstleistung darf etwas kosten!
Die Hotel & Gastro Union will nicht länger zusehen und die Probleme an der Wurzel packen. Mit seinem Manifest zeigt der Branchenverband Wege aus der Krise und kommt mit Lösungsvorschlägen, die gemeinsam mit den Verbänden der Arbeitgeber umgesetzt werden müssen. Erster Punkt: die Arbeitszeiten. Nötig ist ein Überdenken der Arbeitseinteilung und der Arbeitsprozesse. Ziel muss die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit durch flexiblere Arbeitszeitmodelle sein. Dazu gehört auch eine frühere Bekanntgabe der Dienstpläne.
Zweiter Punkt: Es bedarf eines Kulturwandels im Führungsstil. Junge wollen mitreden. Fertig mit «ich bin der Chef». Wer seine Mitarbeitenden nicht achtet und schätzt, schadet der Branche. Die Devise muss lauten: «Mitsprache statt Ansprache». Wer im Betrieb mitbestimmen kann, identifiziert sich mit diesem.
Dritter Punkt: Mehr Lohn. Tiefe Gehälter führen dazu, dass Ausgebildete sowie Ungelernte die Branche verlassen und Lehrabgänger erst gar nicht eine Stelle in der Küche, im Restaurantfach oder in der Hauswirtschaft suchen. Deshalb müssen Lohnerhöhungen auf allen Qualifikationsstufen her. Wie in anderen Branchen dürfen Lohnerhöhungen durch die Gäste mitgetragen werden. Wer kocht, bäckt, serviert, putzt oder im Backoffice arbeitet, sagt: «Unsere Dienstleitung darf etwas kosten!».
Über die Hotel & Gastro Union
Die Hotel & Gastro Union ist die Branchenorganisation für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Schweizer Gastgewerbe und der Bäckerei-Konditor-Confiseur-Branche. Sie setzt sich aktiv für berufliche Vernetzung, Aus- und Weiterbildung und soziale Sicherheit ein. Ihr oberstes Ziel ist es, den Stellenwert der gastgewerblichen Berufe zu fördern. Die Hotel & Gastro Union hat knapp 22000 Mitglieder und vereinigt unter ihrem Dach fünf Berufsverbände. Es sind dies der Schweizer Kochverband sowie die Berufsverbände Service Restauration, Hotellerie & Hauswirtschaft, Hotel Administration & Management, Bäckerei & Confiserie. Zudem gehören die SHL Schweizerische Hotelfachschule Luzern, das Art Deco Hotel Montana, der Hotellerie Gastronomie Verlag sowie das Jobportal Gastrojob ebenfalls zur Hotel & Gastro Union. Präsidentin ist Esther Lüscher, Geschäftsleiter ist Urs Masshardt. Die Hotel & Gastro Union ist zudem Trägerorganisation der Hotel & Gastro formation, der paritätischen Berufsbildungsinstitution im Gastgewerbe.
Jörg Ruppelt
Die Branche braucht Betriebe mit Profil
Die Hotel & Gastro Union macht deutlich: Die Förderung von Mitarbeitenden ist der Schlüssel zum Erfolg.
Sterne und Punkte sind gut für das Image. Aber nicht mehr gut genug, um gute Mitarbeitende zu halten und neue zu gewinnen. Fachkräfte sind für jeden Betrieb der Schlüssel zum Erfolg. In ihrem neuen Manifest stellt sich die Hotel & Gastro Union auf den Standpunkt, dass die Branche Betriebe mit Profil braucht. Dazu gehört eine kompetente Unternehmensführung, die ihre Mitarbeitenden motiviert und ihnen Weiterbildungen ermöglicht, die den Nachwuchs fördert und den Ungelernten sowie Quereinsteigern Perspektiven aufzeigt.
Betriebe mit Profil machen bereits in Stelleninseraten deutlich, wofür sie stehen. Zum Beispiel für ein offenes, positives und vertrauensbildendes Menschenbild im Führungsteam. Betriebe mit Profil bieten ihren Mitarbeitenden Mitsprache und Mitwirkung bei der Angebotsgestaltung und ermöglichen ihnen eine Beteiligung am Betriebsgewinn.
Motivierte Mitarbeitende
Erfolgreiche Betriebe haben qualifizierte Mitarbeitende und Kader. Betriebe mit Profil zeichnen sich durch einen kompetenten Unternehmer mit guter Mitarbeiterführung und geregelten Arbeitsbedingungen aus. Sie bieten ihren Mitarbeitenden faire Löhne und berufliche Aufstiegsmöglichkeiten. Sie fördern die Mitsprache der Mitarbeitenden im Betrieb und sichern ihnen die Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit zu.
Weiterbildung
Erfolgreiche Betriebe fördern die Weiterbildung der Mitarbeitenden. Sie ist der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit. Betriebe mit Profil verfügen über ein professionelles Human-Resources-Management. Sie unterstützen die berufliche Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden sowohl in zeitlicher als auch in finanzieller Hinsicht.
Nachwuchsförderung
Erfolgreiche Betriebe setzen auf kompetente Ausbildner. Betriebe mit Profil bilden Lernende aus und beschäftigen Ausbildner, welche sowohl in handwerklicher als auch in berufspädagogischer Hinsicht über die nötigen Kenntnisse verfügen. Zudem schätzen Betriebe mit Profil ihre Lernenden und setzen alles daran, dass sie nach der Ausbildung in der Branche bleiben.
Perspektiven für Ungelernte
Erfolgreiche Betriebe helfen Berufseinsteigern. Betriebe mit Profil ermöglichen Quereinsteigern und langjährigen Mitarbeitenden ohne anerkannten Berufsabschluss eine Nachholbildung (Progresso, EBA-Nachholbildung, EFZ-Nachholbildung).
Jörg Ruppelt
So hält man die Kollegen in der Branche
Um nicht noch mehr Fachkräfte zu verlieren, braucht es sofortige Massnahmen. Die Hotel & Gastro Union sagt, was zu tun ist.
Das Coronavirus mag sich vorübergehend zurückgezogen haben, aber die Folgen der Pandemie sind für die Hotellerie und Gastronomie noch immer spürbar. Aus einer stabilen Branche ist eine Risikobranche geworden. Mitarbeitende, die nicht schon längst die Flucht ergriffen haben, stehen vor der Frage: Bleiben oder gehen? Derzeit werden Überstunden geschoben, weil Mitarbeitende an allen Ecken und Enden fehlen. Der Frust sitzt tief. Nicht nur beim Personal, sondern auch bei den Arbeitgebern, die fieberhaft Arbeitskräfte suchen.
Schon lange weist die Hotel & Gastro Union die Arbeitgeber und Politiker darauf hin, dass dringend gehandelt werden muss. In ihrem neuen Manifest weist sie Wege aus der Krise. Vier davon sind entscheidend, wenn die Branche nicht noch mehr Mitarbeitende verlieren will. An erster Stelle steht der Lohn. Er muss auf allen Stufen steigen. Zweitens: Investitionen in die Bildung und die Suche nach Berufsnachwuchs. Drittens: bitte mehr Wertschätzung seitens der Arbeitgeber und der Gesellschaft. Viertens: attrak-tivere Arbeitszeiten.
Durchsetzen lassen sich die Massnahmen nur in Sozialpartnerschaft. «Die Probleme lassen sich nur gemeinsam lösen. Solange Gastrosuisse weiterhin L-GAV-Verhandlungen verweigert, wird sich nichts ändern», sagt Roger Lang, Leiter Rechtsdienst der Hotel & Gastro Union.
Bildung
Unsere Branche braucht qualifizierte Mitarbeitende und Arbeitgeber. Dazu mehr Lernende! Dafür muss in die Bildung investiert werden. Deshalb:
- unbefristete Fortsetzung der kostenlosen Aus- und Weiterbildung über 2023 hinaus.
- Steigerung der Anforderungen an die Berufsbildner zugunsten der Lernenden.
- mehr bezahlte arbeitsfreie Zeit für die Teilnahme an Aus- und Weiterbildung.
- sollen Mitarbeitende ohne formelle Berufsausbildung verstärkt an Progresso-Kursen teilnehmen.
- Förderung der unternehmerischen Kompetenzen der Arbeitgeber.
Führung, Wertschätzung, Arbeitsklima
Es bedarf eines Kulturwandels im Führungsstil. Die oftmals noch vorherrschende, veraltete und hierarchische Führungskultur befriedigt die Bedürfnisse der jungen Generation nicht mehr. Diese will mitreden, mitbestimmen und mitwirken. Deshalb:
- fertig mit «Ich bin der Chef»: Wer seine Mitarbeitenden nicht achtet und schätzt, schadet der Branche.
- Mitsprache statt Ansprache – wer im Betrieb mitbestimmen kann, identifiziert sich mit diesem.
- reden statt schreien – Konfliktlösung, anständige Kommunikation und gelebte Teamarbeit führen zu einem guten Arbeitsklima.
- Förderung von professionellem Human-Resources-Management.
Lohn
Mit tiefen Löhnen dreht man weiter an der Abwärtsspirale: Tiefe Löhne führen dazu, dass die Mitarbeitenden die Branche verlassen. Nachweislich verlassen viele Mitarbeitende Anfang dreissig die Branche, da eine Familiengründung nur schwer finanzierbar erscheint und ihnen eine Lohnperspektive fehlt. Deshalb:
- generelle Lohnerhöhungen auf allen Qualifikationsstufen.
- Würdigung der Berufserfahrung als lohnrelevanter Faktor.
- brauchen Mitarbeitende eine Lohnperspektive.
- Weitergabe der Lohnerhöhungen an die Konsumenten wie in anderen handwerklichen Branchen üblich. Unsere Dienstleistung darf etwas kosten!
Arbeitszeiten
Unattraktive Arbeitseinteilungoftmals mit Zimmerstunde, Wochenendarbeit, Abendarbeit, Nachtarbeit und ständige spontane Wechsel der Dienstpläne verhindern eine gute Vereinbarkeit von Beruf, Familie, Ausbildung und Freizeit. Deshalb:
- braucht es dringend ein Überdenken der Arbeitseinteilung und Arbeitsprozesse.
- Förderung der Vereinbarkeit von Beruf, Familie, Ausbildung und Freizeit durch flexiblere Arbeitszeitmodelle.
- frühere Bekanntgabe der Dienstpläne und bessere Planung, damit die Einsatzzeit nicht ständig und spontan wechselt.
Jörg Ruppelt
Stärken wir unsere Berufe
Für die Hotel & Gastro Union ist klar: Wer in die Grund- und Weiterbildung investiert, stoppt die Abwanderung. Die Berufsverbände gehen voran.
Die Branche braucht qualifizierte Mitarbeitende. Dringender denn je. Und aus diesem Grund gilt: Schön, dass man durch Schnellkurse Quereinsteiger in die Branche holen will, aber nichts geht über die Grundbildung! Dafür steht die Hotel & Gastro Union.
Was tut sich konkret bei den Berufsverbänden? Regelrecht überrannt wird derzeit die Lehre zum neu geschaffenen Beruf Hotelkommunikationsfachfrau und -fachmann EFZ. Aufgrund des vielseitigen beruflichen Einsatzspektrums besteht jedoch die Gefahr, dass Betriebe nur noch Lehrstellen für diese Fachrichtung anbieten und immer weniger Kaufleute ausbilden können. Deshalb setzt sich der Berufsverband Hotel, Administration & Management dezidiert für beide Grundbildungen ein: Kauffrau/Kaufmann Hotel-Gastro-Tourismus (HGT) und Hotelkommunikationsfachfrau/-mann (HoKo). Des Weiteren engagiert sich der Berufsverband dafür, dass der kaufmännische Beruf in der Hotellerie jenen in anderen Branchen gleichgestellt wird – sowohl bei der inhaltlichen Ausbildung als auch bei den Löhnen.
Eine führende Rolle bei der Weiterentwicklung seiner Berufe möchte auch der Verband Service/Restauration einnehmen. So will der Verband bei der bald kommenden «Softrevision» der Berufe Restaurationsfachfrau/ -mann EBA und EFZ unbedingt mitvertreten sein.
Es fehlt immer noch an Wertschätzung
Die Mitarbeitenden in der Restauration kämpfen immer noch mit mangelnder Wertschätzung seitens der Arbeitgeber und der Gesellschaft. Hinzu kommt, dass Lernende in ihren Betrieben immer wieder auf Berufsbildner treffen, die ungenügend qualifiziert sind oder zu wenig Berufserfahrungen mitbringen. Der Berufsverband Service/Restauration setzt deshalb vehement auf die Stärkung von Grund-, Weiter- und Hochbildung, um die Attraktivität seiner Berufe zu erhöhen.
Für mehr Chancen im Beruf
Mit komplett neuen Grundbildungen wartet der Berufsverband Hotellerie & Hauswirtschaft auf. So starten ab 2024 die neuen Berufe Fachfrau/Fachmann Hotellerie-Hauswirtschaft EFZ sowie Praktiker/Praktikerin Hotellerie-Hauswirtschaft EBA. Die beiden Ausbildungen lösen die Berufsfelder Hotelfachfrau/Hotelfachmann EFZ und Fachfrau/Fachmann Hauswirtschaft EFZ wie Hotellerieangestellte/-r EBA und Hauswirtschaftspraktiker/-in EBA ab. Damit gibt es eine Vertiefung der Fachkompetenz Hotellerie-Hauswirtschaft, die sowohl in der Hotellerie als auch in der Gemeinschaftsgastronomie gefragt ist. Mit anderen Worten: Mit den neuen Berufsausbildungen erhöhen sich die Chancen der Lehrabgänger auf attraktive Stellen im gesamten Berufsfeld.
Im Endspurt einer Revision seiner Berufe befindet sich auch der Schweizer Kochverband. Die beiden Grundbildungen Köchin/Koch EFZ und Küchenangestellte/-r EBA bleiben bestehen, werden aber bis August 2023 inhaltlich angepasst. Zum Beispiel hinsichtlich moderner Techniken in der Küche und veränderter Gästebedürfnisse. Der Schweizer Kochverband macht sich vor allem für die Stärkung des Handwerks stark. So hat sich der Verband aktiv bei den Grundlagen für den Bildungsplan eingebracht. Beispielsweise mit Definitionen für Garmethoden und für ein neues Fachbegriff-Verzeichnis, die als Basis der Ausbildung und für das Qualifikationsverfahren dienen.
An den Arbeitsmarkt anpassen
Laut Schweizer Kochverband müssen die Inhalte der Grundbildung einheitlich und verbindlich für Lernende und Berufsbildner sein. Darüber hinaus pocht der Verband auf die Eigenständigkeit der Koch-Berufe. Dafür werden laufend Lerninhalte überprüft und die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes berücksichtigt.
Prekär ist die Situation bei Bäckern und Confiseuren. Das Gewerbe schrumpft. Es gibt immer weniger Lehrstellen. Unattraktive Arbeitsplätze haben zur Folge, dass immer mehr Fachkräfte abwandern. Diese werden durch ungelerntes Personal ersetzt. Der Berufsverband Bäckerei & Confiserie stemmt sich gegen den Verlust von Fachwissen und Handwerk und setzt unter anderem verstärkt auf eine Zusammenarbeit mit der Richemont-Fachschule.
Des Weiteren will der Berufsverband den Nachwuchs fördern und mit dem Lernenden-Wettbewerb Brot-Chef die Jungen ins Rampenlicht rücken. Der Fokus gilt auch dem Beruf Detailhandelsfachfrau/-mann. Für diese Berufsgruppe überlegt man sich, einen eigenen Wettbewerb auf die Beine zu stellen.
Jörg Ruppelt
Nur gute Chefs finden gute Leute
Fachkräfte wollen faire Löhne, Wertschätzung, Planbarkeit und berufliche Perspektiven. Arbeitgeber sind mehr denn je gefordert.
Der Markt für qualifizierte Mitarbeitende ist ausgetrocknet. Die Pandemie hat die Flucht aus der Branche noch angeheizt. Doch Corona ist nicht an allem schuld. Trotz guter Berufsbilder ist der Stellenwert von Köchen und Restaurantfachleuten in der Gesellschaft tief. Das führt dazu, dass sich schon seit Jahren immer weniger Junge für gastgewerbliche Berufe begeistern. Was die Marktsituation noch verschlimmert: Gestandene kehren der Branche den Rücken.
Händeringend suchen Arbeitgeber nach qualifizierten Mitarbeitenden. «Wer sucht, der findet» heisst eine Redewendung. Doch das trifft nur auf die «Guten» zu. Die «Schlechten», also Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitenden lediglich den Mindestlohn zahlen und sie wie austauschbare Nummern behandeln, gehen praktisch immer leer aus. Und das zu Recht. Mitglieder der Hotel & Gastro Union wünschen sich Arbeitgeber, die wissen, was Wertschätzung ist, die ihre Mitarbeitenden loben und fördern. Nur so ist die Identifikation mit dem Betrieb möglich.
Bei wem HGU-Mitglieder gerne arbeiten
Mitglieder der Hotel & Gastro Union arbeiten gerne in Betrieben, in denen Köche, Restaurantfachleute, Hauswirtschafts- und Hotellerie-Management-Profis sowie Bäcker-Confiseure nicht Befehlsempfänger sind, sondern bei betrieblichen Entscheidungen mitbestimmen können.
Mitglieder der Hotel & Gastro Union suchen sich vor allem Arbeitgeber, die auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden eingehen. Wer als Chefin oder Chef Faktoren wie flexible Arbeitszeiten, Familie, Freizeit, Aus- und Weiterbildung ernst nimmt, wird engagierte und motivierte Fachkräfte länger an sich binden können, als gemeinhin in der Branche üblich ist. Mitglieder der Hotel & Gastro Union bewerben sich bei Arbeitgebern, die faire Löhne zahlen und bei denen sie rechtzeitig verlässliche Dienstpläne bekommen.
Eine der wichtigsten Mitarbeiterfragen beim Bewerbungsgespräch lautet: «Wie führt der Chef?» In seinem viel beachteten Buch «Führen/Leisten/Leben» legt der Wirtschaftswissenschaftler Fredmund Malik den Finger in die Wunde: «In keinem anderen Beruf liegt die Ausbildung so im Argen wie im Management. Niemand würde in ein Flugzeug steigen, wenn die Piloten eine den Managern vergleichbare mangelhafte Ausbildung hätten.»
Führungskompetenz ist ein vielschichtiges Phänomen. Das Fähigkeits- und Persönlichkeitsprofil eines guten Leaders umfasst eine ganze Reihe verschiedener Eigenschaften – gute Chefs sind wahre Multitalente.
Manch Vorgesetzter bringt gleich das Gesamtpaket mit, andere müssen in ihre Rolle erst hineinwachsen. Die gute Nachricht: Führungskompetenz lässt sich lernen. Führung ist beispielsweise integrierter Bestandteil der Fortbildung zu den höheren Berufsprüfungen sowie auch im Lehrgang von Gastrosuisse (G1 bis G3). Bildungswege wie das Nachdiplomstudium von Hotelleriesuisse und natürlich das Grundstudium an den Hotelfachschulen geben das beste Führungsrüstzeug mit auf den Weg.
Was Arbeitgeber tun sollten
Hinterfragen Sie sich und Ihren Betrieb fortlaufend. Sind Ihre Arbeitsbedingungen noch zeitgemäss? Nur so bleiben Sie wettbewerbsfähig auf dem Arbeitsmarkt. Sehen Sie Ihre Mitarbeitenden als Faktor für wirtschaftlichen Erfolg. Agieren Sie und gehen Sie den Mangel an Personal aktiv an. Reagieren ist keine gute Lösung.Ermitteln Sie die individuellen Bedürfnisse Ihrer Mitarbeitenden und leiten Sie daraus Massnahmen ab. Schaffen Sie ein motivierendes Umfeld für Ihr Personal wie eine ordentliche und frische Mitarbeiterverpflegung, zeitgemässe Personalunterkünfte – dies ist die Voraussetzung für motivierte und zufriedene Mitarbeitende.Fordern und fördern Sie Ihr Personal individuell und zielgerecht, um den wirtschaftlichen Erfolg auch in Zukunft zu sichern. Setzen Sie sich ein für eine gute Arbeitsplatzatmosphäre, diese schafft Zufriedenheit.
Quelle: Christoph Boll, Konen & Lorenzen Recruitment Consultants, Baar/ZG: «Wie werden Hotels als Arbeitgeber attraktiver?», Fachmagazin «Hotelier», Ausgabe 1/2022
Jörg Ruppelt
Bitte keine Schnellbleichen
Mit neuen Kursen locken Verbände Quereinsteiger in die Branche. Dabei gibt es bewährte Angebote mit Perspektiven.
er Branche fehlen Fachkräfte. Lösungen müssen her. Und das so schnell wie möglich. Potenzial, um neue Mitarbeitende zu engagieren, sehen Gastro Luzern und Luzern Hotels bei den Quer- und Wiedereinsteigern. Kostenlose Servicekurse auf gastrojetzt.ch werden für all jene angeboten, die sich neu orientieren möchten wie etwa Väter und Mütter, die nach einer Kinderbetreuungsauszeit wieder ins Berufsleben einsteigen wollen oder Personen über 50 Jahre. Die Kurse dauern zweimal drei Stunden, und wer sie absolviert, erhält eine Urkunde.
Ein ähnliches Projekt nennt sich «Quereinsteiger:innen» und wurde vom Zürcher Hotelier Verein sowie Hotelleriesuisse ins Leben gerufen und wird mittlerweile von der EHL Group (École hôtelière de Lausanne) unterstützt. Ziel ist es, gut ausgebildete und motivierte Berufsleute zwischen 20 und 65 zu begeistern, die Lust auf einen Einstieg in die Hotellerie haben. Der Erfolg sei überwältigend, schreibt Hotelleriesuisse auf seiner Website. Statt der erwarteten 20 bis 50 Anmeldungen musste man bei rund 500 Bewerbungen bereits einen Bewerbungsstopp verhängen.
1000 Franken Ausbildungsgebühr selber berappen?
Das sechsmonatige Ausbildungsprogramm für Küche und Réception startet am 19. April und kostet 1000 Franken. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Bei 500 Anmeldungen wird eine erkleckliche Summe in die Kassen der Initianten gespült. Während und nach der Ausbildung werden den Projektteilnehmern Löhne von 3000 bis 4000 Franken versprochen. Diese richten sich nach dem Gesamtarbeitsvertrag und entsprechen denen von Ungelernten.
Hotelberater wie Luzius Kuchen finden die Pilotprojekte «eine gute Idee, um Leute zu motivieren», schreibt «20 Minuten». Wenn da nicht die Sache mit den Löhnen wäre. Ob Informatiker oder Metallbauschlosser sich bei diesen niedrigen Verdiensten eine Zukunft in der Gastronomie und Hotellerie vorstellen können, ist mehr als fraglich.
Ein Arbeitgeber, der händeringend nach Fachkräften sucht, wird unter Umständen höhere Löhne zahlen. Was ist aber, wenn der Neueinsteiger die Stelle wechselt? Die Hotel & Gastro Union (HGU) sitzt mit Hotelleriesuisse im selben Boot und sucht nach Lösungen für den Fachkräftemangel. In der Frage, wie man zu neuen Mitarbeitenden kommt, vertritt die HGU einen klaren Standpunkt: «Die von Hotelleriesuisse und Gastro Luzern ins Leben gerufenen Projekte sind Schnellbleichen, die den Fachkräftemangel nicht beheben», sagt Urs Masshardt. Der Geschäftsführer der Hotel & Gastro Union verweist auf bereits bestehende Angebote, die Quer- und Wiedereinsteiger nutzen sollten. Ungelernte Arbeitskräfte können durch bewährte Fachkurse einen ersten Karriereschritt in der Branche machen. Beispiel sind die bekannten Progresso-Lehrgänge von der Hotel & Gastro Formation. Dabei erwerben Ungelernte nach 25 Ausbildungstagen ein branchenanerkanntes Zertifikat. Ausserdem werden die Kosten des Lehrgangs durch den L-GAV übernommen und der Arbeitgeber erhält eine Entschädigung für den Arbeitsausfall. Nach Abschluss eines Progresso-Lehrgangs können Interessenten in verkürzter Dauer sogar eine Ausbildung mit eidgenössischem Berufsattest absolvieren.
Verkürzte Grundbildung bringt's
Was Quereinsteiger mit Berufsausbildung in einer anderen Branche anbelangt: Für sie gibt es eine verkürzte betriebliche Grundbildung. Wer also schon einen Lehrabschluss oder eine gymnasiale Maturität in der Tasche hat, kann sich von mehreren Kursen der Berufsfachschule dispensieren lassen und damit die Grundausbildungsdauer verkürzen.
Fazit: Besser Hände weg von den neuen Schnellbleichen und lieber bestehende Ausbildungsangebote nutzen. Nur sie garantieren faire Löhne.
Bewährte Angebote
Ungelernten bieten sich die Progresso-Lehrgänge der Hotel & Gastro Formation (mein-progresso.ch) an. Quereinsteiger mit Berufsausbildung können sich bei den kantonalen Berufsbildungsämtern über mögliche verkürzte Ausbildungen in der Gastronomie informieren. Zudem ist vorstellbar, eine Progresso-Variante für Quereinsteiger einzuführen. Anerkannten Flüchtlingen steht die Integrationslehre «Riesco» offen (hotelgastro.ch).