Lernendenbarometer 2022
Ergebnisse des Lernendenbarometers
Das Fernweh grassiert wieder
Die gute Nachricht zuerst: Die Zahl der Lernenden, die nach dem Abschluss ihrer Grundbildung im Gastgewerbe bleiben (57 %), ist im Vergleich zu den Jahren vor der Corona-Pandemie stabil geblieben. Die schlechte Nachricht lautet: Das trifft auch auf die Zahl der Lernenden zu, die dem Gastgewerbe den Rücken kehren wollen oder noch unentschlossen sind (43 %). Ebenfalls nicht verändert haben sich die Gründe, warum dem Berufsnachwuchs die Lust aufs Gastgewerbe vergangen ist (siehe Grafik oben).
Bäcker sind mit den Arbeitszeiten besonders unzufrieden
Die grössten Motivationskiller für einen Verbleib im Gast- und Bäckergewerbe sind die Arbeitszeiten, es folgt eine fehlende Wertschätzung durch die Vorgesetzten. Diese beiden Faktoren werden über alle fünf Berufe hinweg an erster und zweiter Stelle genannt.
Besonders unzufrieden mit den Arbeitszeiten sind die Lernenden in der Backstube (52 %) und in der Restauration (51 %). Unter fehlender Wertschätzung durch ihre Chefs leiden die Lernenden KV und Hotelkommunikation (42 %) sowie Hauswirtschaft (32 %) am meisten.
Beruf gefällt nicht mehr
Für Lernende in Küche (19 %), Restauration (22 %) und Hauswirtschaft (21 %) ist der tiefe Lohn ein weiterer Grund, die Branche zu verlassen. Nicht so für Lernende KV und Hotelkommunikation (10 %) und Bäcker-Konditoren-Confiseure (13 %). Die Erstgenannten belastet mehr, dass sich Beruf und Privatleben schwer vereinbaren lassen (33 %).
34 Prozent der Bäcker-Konditoren-Confiseure geben andere, nicht genauer deklarierte Gründe für ihr Abwandern aus der Branche an. Weil ihnen der Beruf nicht gefällt, wollen viele Hotelfachfrauen und -männer (28 %) sowie Köchinnen und Köche (21 %) ihren Beruf an den Nagel hängen.
Problem erkannt, aber noch lange nicht gebannt
Das Gastgewerbe kann es sich eigentlich gar nicht leisten, seine Lernenden nach dem Qualifikationsverfahren an andere Branchen zu verlieren. Das zeigt eine Blitzumfrage, welche Hotelleriesuisse im Januar 2022 machte.
Mehr als zwei Drittel der Betriebe haben Mühe, alle offenen Stellen zu besetzen. Wegen Personalmangel schlossen über 10 Prozent der Betriebe teilweise oder vorübergehend sogar komplett. In jedem vierten Betrieb mussten die Dienstleistungen zurückgefahren werden. Durch die Pandemie hat sich nicht nur der Fachkräftemangel verschärft. In 85 Prozent der Betriebe fehlen auch die Hilfskräfte. Das hatte auch Auswirkungen auf die Lernenden (siehe Grafik rechts).
Kulturwandel ist nötig
Für die Hotel & Gastro Union ist klar, dass der Fach- und Hilfskräftemangel nur gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden gelöst werden kann. Und zwar durch eine intakte, gelebte und mutige Sozialpartnerschaft.
In ihrem Manifest fordert die Hotel & Gastro Union die Arbeitgeberverbände deshalb auf, «ihre Führungsverantwortung wahrzunehmen und zu offenen Strategien überzugehen, anstatt mit schlechten Anstellungsbedingungen die schwächsten Betriebe zu schützen.» Dazu müsste Gastro Suisse die seit 2019 bestehende Verhandlungsblockade endlich aufgeben und «einen L-GAV verhandeln, welcher der Branche gerecht wird».
Im Weiteren, so die Hotel & Gastro Union, müssten die Arbeitseinteilungen und -prozesse dringend überdacht und flexiblere Arbeitszeitmodelle gefördert werden. Es brauche zudem bessere Lohnperspektiven. Auch sei ein Kulturwandel im Führungsstil mehr als angezeigt.
Text: Riccarda Frei
Dokumente
- Resultate HGU Lernenden-Befragung 2022.pdf (6.19 MB )