Der bvhh hat grosse Ambitionen
Der bvhh hat an seiner diesjährigen Tagung einen Blick ins Ausland und einen in die Zukunft geworfen. Im Fokus lagen dabei die berufliche Grundbildung sowie die Arbeitsmöglichkeiten und -bedingungen für Hauswirtschaftsprofis.
Am 20. August trafen sich die Mitglieder des Berufsverbands Hotellerie-Hauswirtschaft (bvhh) im Stilhaus in Rothrist zu ihrer jährlichen Tagung. Der Event stand unter dem Motto: «Bildung und Hotellerie-Hauswirtschaft weltweit». Doch bevor man einen Blick auf die Bildungssituation jenseits der Schweizer Landesgrenzen warf, gab es für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen kurzen Ausblick auf die Zukunft im eigenen Land. Esther Lüscher, Präsidentin des bvhh, verriet ihr ambitioniertes Ziel für die Hotellerie-Hauswirtschaft: «Wir möchten mit unserem Beruf auch an den WorldSkills teilnehmen.» Diese internationale Berufsolympiade wäre eine gute Möglichkeit, einem breiten Publikum zu zeigen, wie vielseitig und interessant das Aufgabengebiet der Hotelfachleute eigentlich ist. Auch im eigenen Land herrsche diesbezüglich noch Informationsbedarf. Viele Eltern und Jugendlichen wüssten nicht um die zahlreichen Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten, die Hotelfachleuten nach ihrer Grundbildung offen stünden. An der Vermittlung dieses Wissens müsse man konstant arbeiten.
Grundbildung Hotelfachleute EFZ 2020/25
Eine weitere Station auf der Reise in eine erfolgreiche Zukunft der Hotellerie-Hauswirtschaft ist die Überarbeitung der Grundbildung Hotelfachleute EFZ. Abgesehen von kleinen Anpassungen im Bildungsplan (2011) ist diese Grundbildung seit 2005 praktisch unverändert. Nur so zur Erinnerung: 2005 war das Jahr, in dem Kardinal Joseph Ratzinger zu Papst Benedikt XVI. wurde; «Schnappi, das kleine Krokodil» wochenlang Spitzenplätze in der Hitparade belegte; das Vogelgrippe-Virus H5N1 grassierte; Aldi in der Ostschweiz seine ersten Filialen eröffnete, in Bülach weltweit zum ersten Mal per SMS abgestimmt werden konnte, Hurrican Katrina New Orleans überflutete und Motorola das erste Billig-Handy auf den Markt brachte und das iPhone noch in Planung war. – Seit 2005 hat sich viel verändert. Die technischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen zeigen sich auch im Berufsleben der Hotelfachleute. Zum Beispiel gibt es neue Einrichtungsmaterialien und Arbeitsmittel, neue Haus- und Seminartechnik sowie neue Gästegruppen. Um den Berufsnachwuchs gut ausgerüstet auf die Reise ins Erwerbsleben zu schicken, braucht es daher eine Grundbildung, die dem aktuellen Entwicklungsstand entspricht.
Weil man sich ein Bild davon machen wollte, wie zeitgemäss die einzelnen beruflichen Grundbildungen in Hotellerie und Gastronomie sind, wurde eine Branchen-Umfrage bei bis zu 12.000 Betrieben gemacht. Unter der Führung des Vorstandes von Hotel & Gastroformation Schweiz entstand «Big Picture». Dieses grosse Bild veranschaulicht alle wichtigen Aufgaben der einzelnen Berufe und lässt Rückschlüsse auf das Gesamtsystem zu. «Die Berufsrevisionen erfolgen im Rahmen des Gesamtsystems und sind damit aufeinander abgestimmt», sagte Martin Schönbächler. Er ist stellvertretender Direktor/Rektor der Hotel & Gastro formation, Weggis, und einer der beiden Referenten der Tagung des bvhh. Die zukünftigen Tätigkeiten der Hotelfachleute EFZ 2020/25 könnten demnach in etwa so aussehen: Sie sind Generalisten mit Schwerpunkt Hotellerie-Hauswirtschaft; können aber auch im Office/Stewarding sowie im Front- und Backoffice (Betreuung der Gäste bei Check-in/Check-out) eingesetzt werden. Sie Verfügen über technologisches Know-how (Klimaanlage, Lüftung, Licht, Strom), können gewisse technische Probleme beheben, sind versiert im Chancenmanagement (Reklamationen) und können in multikulturellen Teams in Fremdsprachen kommunizieren. Ihre Kernkompetenzen wie Reinigung, Wäscherei, Werterhalt und Ambiance werden weiter vertieft. Den Lernenden soll nicht nur fachliches Wissen vermittelt werden, sondern auch Werte wie Dienstfreundlichkeit, Pflichtbewusstsein und Gästeorientiertheit. Werte, die man auch im Ausland von Schweizern erwartet.
Hotelfachleute geniessen höheres Ansehen
Einer, der lange im Ausland tätig war und seine Grundbildung in Deutschland absolvierte, ist Claude Stämpfli. Der diplomierte Hotelier/Restaurateur HF präsentierte einen Überblick über die Ausbildungs- und Berufssituation der Hotelfachleute in Deutschland. «Der Beruf geniesst dort ein höheres Ansehen als in der Schweiz. Das liegt daran, dass die Ausbildung nicht so Housekeeping-lastig ist.» Dies hat zur Folge, dass in Deutschland etwa gleich viele Männer wie Frauen sich für diese Grundbildung entscheiden. In der Schweiz sind es fast ausschliesslich Frauen. «Auch sind die Lernenden in der Regel bereits volljährig, wenn sie die Grundbildung beginnen. Das ist für die Arbeitgeber interessant, weil der Jugendschutz mit seinen speziellen Arbeitszeitregelungen wegfällt», berichtet Claude Stämpfli. Der Grund, warum die Lernenden die Grundbildung nicht schon mit 16, sondern erst mit 18 Jahren beginnen, liegt im schulischen Bildungsgrad, den sie mitbringen. Jeder Dritte von ihnen hat Abitur (Matura) und jeder Zweite hat die Realschule (vergleichbar mit unserer Sekundarschule) abgeschlossen. Zudem machen sie vor Unterzeichnung des Lehrvertrags ein sechs- bis zwölfmonatiges Praktikum im Hotel. Bei guter Leistung kann sich dafür die Dauer der Grundbildung um ein halbes Jahr verkürzen.
Nicht nur die Grundbildung, auch die Arbeitsbedingungen sind im Ausland anders als in der Schweiz. Das zeigte die Podiumsdiskussion mit Hotelfachleuten, die in den USA, Ägypten, diversen asiatischen Ländern und Osteuropa gearbeitet hatten. Sie berichteten von tiefen Löhnen, schlechten Sozialleistungen, der Schwierigkeit, als weibliche Vorgesetzte von männlichen Untergebenen anerkannt zu werden und inexistenter Mitarbeiterausbildung; aber auch von einmaligen Erfahrungen, persönlicher Horizonterweiterung sowie der Chance und Befriedigung, ihr berufliches Know-how an Menschen weiterzugeben, die nie eine Lehre machen konnten. Da es in den meisten Ländern keine dreijährige Grundbildung in der Hotellerie-Hauswirtschaft gibt, wird sich die bvhh-Präsidentin Esther Lüscher mit der Umsetzung ihres Ziels gedulden müssen. Damit sich ein Beruf an den WorldSkills präsentieren darf, müssten mindestens zwölf Länder valable Kandidaten stellen können. Das ist derzeit nicht der Fall. Für Schweizer Hotelfachleute bedeutet dies, dass sie im Ausland – gerade bei internationalen Hotelketten – gefragte Mitarbeitende sind und gute Karrierechancen haben.
Text: Riccarda Frei